Ausbildung ist unser Weg in die Zukunft

Der Tischlerei-Betrieb von Meister Uwe Hemmerling (54) in Unna existiert seit dem Jahre 2002. Mit aktuell zehn MitarbeiterInnen und drei Auszubildenden bietet Hemmerling der Kundschaft das Tischler-„Rundum-Paket“ an: Einbaumöbel, Fenster, Türen, Fußböden, Treppen, aber auch Terrassenüberdachungen, Gartenhäuser oder Gauben (er ist auch gelernter Zimmerer!) werden am Firmensitz im Habbesweg gefertigt und beim Kunden eingebaut. Dabei gilt für ihn die Firmenphilosophie: „Ihre Ideen und Wünsche sind unser Antrieb!“ Uwe Hemmerling engagiert sich zudem ehrenamtlich als Lehrlingswart in der „Tischler-Innung Unna“. Der 21-jährige Holzwickeder Nico Schäfer (erstes Ausbildungsjahr) erlernt in dem Unternehmen den Beruf des Tischlers.

 

Kreishandwerkerschaft: Hallo Nico, erzähl doch mal: Wie bist Du auf die Idee gekommen, hier eine Ausbildung zum Tischler zu beginnen?

Nico Schäfer: Handwerkliches Arbeiten hat mich immer schon interessiert. Nach dem Abi war ich für ein Jahr in Australien unterwegs und habe auch auf einer Farm gearbeitet. Da hab‘ ich gemerkt, dass ein Studium nichts für mich ist, sondern ich etwas mit meinen Händen machen will. Insbesondere der Werkstoff Holz fasziniert mich – und was man alles so daraus machen kann.

Kreishandwerkerschaft: Was sagt Dein Umfeld – Freunde, Familie und so – dazu?

Nico Schäfer: Handwerk ist in unserer Familie nicht unbekannt: Mein Vater hat mal Fleischer gelernt. Er hat sich gefreut, als ich ihm von meinem Berufswunsch erzählt habe. Meine Freunde studieren zum Teil; ein anderer Teil hat auch eine Lehre begonnen. Die meisten sagen mir „Tischler? Das ist cool – da kannst Du mir demnächst was Schönes bauen…!“

Kreishandwerkerschaft: Wie kam es denn bei Dir konkret zum Kontakt mit der Tischlerei Hemmerling?

Nico Schäfer: Ich hatte mich etwas spät hier beworben, konnte aber dann doch eine Woche zum Praktikum kommen, was mir sehr gut gefallen hat. Und im Anschluss wurde mir sehr schnell ein Ausbildungsplatz angeboten.

Kreishandwerkerschaft: Und wie sind so Deine praktischen Erfahrungen als Auszubildender bislang?

Nico Schäfer: In diesen ersten Wochen und Monaten bin ich hier im Betrieb und auf den Baustellen bei den Kunden vor allem die zusätzliche „rechte“ Hand vom Gesellen-Kollegen Florian, der mir viele neue Dinge zeigt: Fenster und Türen einbauen, Parkettböden aufarbeiten, Einbaumöbel montieren, eine Dachgaube und ein Garagendach errichten. Dann bin ich aktuell in Soest [zusammen mit den anderen 18 Tischler-Azubis des ersten Lehrjahrs] in einem Kurs der Handwerkskammer. Hier geht es vor allem um klassische Holzverbindungen – ohne Schrauben und Dübel, sondern einfach nur mit Säge und Stechbeitel. Ich habe schon gelernt: Ganz gerade Sägeschnitte setzen zu können ist wichtig!

Kreishandwerkerschaft: Gibt es auch mal nicht so schöne Seiten?

Nico Schäfer: Na ja, das Berichtsheft führen zu müssen, das heißt: am besten jeden Tag oder zumindest einmal pro Woche aufzuschreiben, was ich so bei der Arbeit gemacht und gelernt habe, das kann schon öde sein. Aber anderes herum hilft es auch in manchen Fällen – wenn man im Betrieb über unverständliche Fachbegriffe stolpert, über die man dann beim Berichtsheft-Schreiben nochmal nachdenken kann.

Kreishandwerkerschaft: Wenn man Dich fragt: Kannst Du eine Ausbildung im Handwerk, speziell im Tischlerberuf, weiterempfehlen? Für wen wäre das wohl das Richtige?

Nico Schäfer: Hier im Betrieb verwenden wir unterschiedlichste Materialien, auch Kunststoff, Metall oder Glas – aber vor allem „Holz“ sollte man/frau schon toll finden. Es ist ein natürlicher, nachwachsender Baustoff. Ich meine: Holz „lebt“ irgendwie, es duftet, es verändert sich bei unterschiedlichen Temperaturen (man sagt auch: „Holz arbeitet“ dazu). Es kann sogar gebogen werden, wie ich schon gesehen habe. Die Arbeit hier ist vielseitig, kein Tag ist wie der andere und wir duzen uns alle untereinander. Man macht keine stupiden Fließband-Arbeiten, sondern wir erstellen meist Unikate. Da kommt es oft aufs Detail an und das saubere Arbeiten. Das muss ein Tischler lernen. Wenn man das will, ist dieser Beruf passend!

Kreishandwerkerschaft: Herr Hemmerling, was bedeutet die Ausbildung junger Menschen für Ihr Unternehmen?

Uwe Hemmerling: Na, ganz einfach: Ohne selbst ausgebildete Fachleute können wir unseren Weg in die Zukunft nicht gehen. Draußen herrscht ein extremer Fachkräftemangel, der Markt ist leergefegt. Ein Beispiel: Als zuletzt ein Kollege in Hamm in den Ruhestand ging und seine Werkstatt geschlossen hat, ist nicht einer der Mitarbeiter irgendwo auf dem Arbeitsmarkt angekommen – die wurden alle schon vorab mit Kusshand abgeworben. Auf der anderen Seite halten uns junge Menschen in der Ausbildung selbst jung und auf dem Stand der allgemeinen Entwicklung – Stichwort „Neue Medien“. Da kommt auch viel frischer Input mit diesen Jugendlichen.

Kreishandwerkerschaft: Wie sehen Ihre bisherigen Erfahrungen im Bereich Ausbildung aus?

Uwe Hemmerling: Das gehört einfach zu einem Handwerksbetrieb dazu. Ich habe inzwischen wohl so rund 20 junge Menschen in unser Gewerk eingeführt, aber dabei auch zwei verloren: Wir passten einfach nicht zusammen und das habe ich dann auch so deutlich im Gespräch erläutert. Natürlich arbeiten nicht alle ehemaligen Azubis noch bei mir, dafür sind wir nicht ausgelegt. Die Werdegänge nach der Tischlerlehre sind da sehr verschieden: Manche sind als Gesellen im Gewerk geblieben, andere haben ihren Meisterbrief drangehängt oder auch als Sozialarbeiter etwas ganz anderes begonnen. Doch auch hier (weiß ich aus den Kontakten) hat die vorgelagerte Lehre im Handwerk viel im Leben geholfen.

Kreishandwerkerschaft: Über Ihren eigenen Betrieb hinausgeblickt: Was sollte an den Rahmenbedingungen bei der Ausbildung geändert werden?

Uwe Hemmerling: Ich finde, nach der allgemeinbildenden Schule – wie lange die auch immer dauert, durchaus inklusive Abitur! – sollten alle Jugendlichen zunächst am besten einen Beruf erlernen, in unserem sogenannten dualen Ausbildungssystem. Also: fachliche Einzelpraxis im Ausbildungsbetrieb sowie in Gruppenkursen, dazu schulische Teile im Berufskolleg. Der Mensch hat im Normalfall zwei Hände: Aus meiner Sicht liegt da kaum etwas näher, als eines von den rund 130 Handwerken in Deutschland kennenzulernen. In der Ausbildung erlerne ich aber nicht nur meinen Beruf – ich erfahre auch viel über andere Menschen (zum Beispiel Kunden) und lerne mich selbst in neuen, manchmal noch ungewohnten Situationen kennen. Das hilft der Selbsteinschätzung und – im besten Falle – auf den „eigenen Beinen“ zu stehen.

Kreishandwerkerschaft: Und was hat sich mit den Jahren geändert, wo liegen aktuelle Probleme?

Uwe Hemmerling: In den letzten Jahren echt zum Problem geworden ist: Die Azubis im ersten Jahr sind weniger belastbar und deutlich anspruchsvoller als noch vor zehn Jahren – aber trotzdem durchaus „formbar“, wenn der persönliche Wille zur Entwicklung geweckt wird. Die Jugendlichen brauchen die Chance, sich in Lehre und Beruf entwickeln zu können – auch mal ganz ohne schnellen Rückgriff auf die Eltern! Auch das gehört zum Erwachsenwerden, zu dem die Lehrzeit im Handwerk eine breite Basis bietet. Im besten Fall wird die Firma, die Kolleginnen und Kollegen sogar zu einer Art zweiten Familie für die Azubis. Ein anderer Aspekt: Unsere Tischler-Unternehmen sind nicht mehr nur rund um den eigenen Kirchturm im Einsatz. Da ist es schon von großem Vorteil, wenn auch ein Azubi vielleicht schon den Führerschein in der Tasche hat – aber dabei kann der Betrieb durchaus helfen.

Kreishandwerkerschaft: Wie sehen Sie die Chancen junger Menschen, die sich für eine Ausbildung als Tischler interessieren?

Uwe Hemmerling: Nun, im vergangenen Jahr habe ich hier 25 (!) konkrete Anfragen, Vorstellungstermine oder auch Praktikanten gehabt – bei genau einem zu vergebenden Ausbildungsplatz, den der Nico dann auch bekommen hat. Zu unserem Glück finden inzwischen viele junge Menschen die Arbeit mit dem Werkstoff Holz erstrebenswert, ob als Tischler oder auch als Zimmerer oder Dachdecker. Zur Wahrheit gehört auch: Wir arbeiten nicht nur im Warmen, sondern auch mal draußen bei Wind und Wetter. Das aktuelle Ausbildungsjahr läuft seit Anfang August, und wir waren mit ursprünglich 24 Jugendlichen in den Betrieben der Innung gestartet: Bis heute sind aber schon wieder sechs Azubis abgesprungen – wahrscheinlich haben die Vorstellungen über unseren Beruf nicht gestimmt. Ich persönlich stelle niemanden ein, wenn er/sie nicht vorher ein oder zwei Wochen hier im Betrieb ein Praktikum gemacht hat – und auch die KollegInnen im Team ihre Meinung zu „Neuen“ geäußert haben.