„Gemischte Gefühle“ bei Neuverträgen im Handwerk

Zuwächse in den Kreisen Soest und Unna, aber Stadt Hamm muss deutlich nachlegen - Zahlen wurden bei gastgebenden Betrieben in Schwerte, Geseke und Hamm vorgestellt

In den Innungsgewerken der Hellweg-Lippe-Region (Stadt Hamm sowie die beiden Landkreise Soest und Unna) schlossen zusammengerechnet 1.071 junge Frauen und Männer im ablaufenden Jahr einen neuen Ausbildungsvertrag im heimischen Handwerk ab – in 2022 waren es noch 6,6% weniger gewesen. Der Blick auf die BerufsanfängerInnen fällt im Einzelnen dabei eher gemischt aus: „Während in der Stadt Hamm mit -9% deutlich weniger neue Verträge in den Gewerken abgeschlossen werden konnten, zeigen die Landkreise Soest (+13,4%) und Unna (+9,6%) jeweils ein stabiles Plus im Vergleich zum Vorjahr,“ erläuterte Christoph Knepper (Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe) die neuesten Zahlen des heimischen Handwerks. Laufen in den Kreisen besonders die klima-relevanten Gewerke sehr zufriedenstellend, so hat die Stadt Hamm gerade auch hier einen deutlichen Nachholbedarf.
Insgesamt erlernen aktuell 3.220 Auszubildende einen drei- bzw. dreieinhalbjährigen Handwerksberuf.

Arbeitsagentur: Chancen der Jugendlichen verbessern sich weiterhin

Thomas Helm (Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Hamm -zuständig auch für den Kreis Unna-) betont: „Die Chancen für Jugendliche auf eine Ausbildung haben sich verbessert. In Unna sind die Bewerberzahlen rückläufig, da das Interesse der Jugendlichen an der dualen Ausbildung generell nachgelassen hat, doch das Ausbildungsangebot ist auf dem hohen Niveau der Vorjahre geblieben. Für Arbeitgeber wird es somit zunehmend schwerer, Nachwuchskräfte zu finden und offene Stellen zu besetzen.
Im Unterschied zu vielen anderen Regionen sind in Hamm sowohl die Bewerberzahlen als auch das Ausbildungsangebot gestiegen. Für Arbeitgeber wird es trotzdem zunehmend schwerer, Nachwuchskräfte zu finden und offene Stellen zu besetzen. Die Betriebe sind gut beraten, weiterhin und verstärkt proaktiv auf die jungen Menschen zuzugehen.“

Für den Kreis Soest zeigt Oliver Schmale (Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Meschede-Soest) die Tendenz auf: „Insgesamt wird es für Betriebe zunehmend schwerer, Ausbildungsstellen zu besetzen. Auf der einen Seite wollen Unternehmen gerne ausbilden, um den erhöhten Bedarf an jungen Fachkräften zu decken und die demographische Entwicklung auszugleichen. Auf der anderen Seite werden es tendenziell eher immer weniger Bewerberinnen und Bewerber. Im Kreis Soest haben sich in den letzten Monaten über 1.400 Jugendliche an uns gewandt, um einen Ausbildungsplatz zu finden. Eine jüngst veröffentlichte Untersuchung ergab, dass sich Auszubildende zunehmend für Berufe mit umweltfreundlichen Tätigkeiten entscheiden -auch für die Betriebe im Handwerk eine weitere Möglichkeit, wieder neue Azubis zu finden.“

So sahen es die gastgebenden Betriebe:

Elektrotechnikermeister Bernd Abrahams (Schwerte) erläutert zu seinem Unternehmen: „Mit viel Aufwand und Engagement haben wir in den letzten Jahren gute Auszubildende -immer wieder auch spätere Bestprüflinge ihres Jahrgangs!- gefunden, die wir teilweise auch über ein Berufspraktikum für unseren spannungsreichen Beruf begeistern konnten.“ Seit der Gründung seines Familienunternehmens im Jahre 1960 wurden hier inzwischen mehr als 30 Jugendliche ausgebildet; einige von ihnen sind mittlerweile selbst Techniker oder Meister in ihrem Gewerk. Seit 1996 leitet der 56-jährige Abrahams den Betrieb und beschäftigt aktuell 23 MitarbeiterInnen, bildet aktuell sechs Jugendliche aus. Er engagiert sich ehrenamtlich unter anderem als Stellvertretender Obermeister der „Innung für Elektrotechnik Unna“, die fast 100 Unternehmen der Branche im gesamten Kreis Unna vertritt.

„In unserem Betrieb machen wir immer wieder gute Erfahrungen mit den Praktikanten: Übers Jahr schnuppern bis zu 10 junge Menschen -mal kürzer, mal länger- bei uns in den Beruf hinein,“ sagt Land- und Baumaschinenmechanikermeister Dietmar Kaup aus Geseke. Er sieht durchaus zuversichtlich in die Zukunft: „Die Leute verstehen immer mehr, dass zukünftig viele gut ausgebildete HandwerkerInnen gebraucht werden und man/frau auch in unserem Handwerk sehr gute Karriere-chancen und Verdienstmöglichkeiten haben kann.“ Der 62-jährige Kaup leitet seit 1984 das Unternehmen „Kaup Land- & Gartentechnik“ in Geseke-Mönninghausen in zweiter Generation, beschäftigt aktuell fünf MitarbeiterInnen und bildet regelmäßig alle drei Jahre einen jungen Menschen zum/zur Land- und Baumschinenmechatroniker/in aus. Er ist zudem ehrenamtlich als Obermeister der „Innung für Land- und Baumaschinentechnik Soest-Lippstadt“ engagiert, die rund 30 Unternehmen der Branche im gesamten Kammerbezirk Dortmund zusammenfasst.

Elektrotechnikermeister Marco Schäfer (Hamm) blickte so auf seinen Betrieb: „In der Hoffnung, dass am Ende der Ausbildung brauchbare Jungmonteure (mit Stallgeruch) zur Verfügung stehen, bilden wir vermehrt Elektroniker -Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik- aus. Wir gehen zu den Ausbildungsmessen oder Berufserkundungen einiger Schulen hier in Hamm - gar nicht mal auf die großen Ausbildungsmessen: Die Resonanz ist hoch, sodass wir keine Probleme haben, Auszubildende zu finden. Zurzeit haben wir sechs gewerbliche Azubis (und einen Azubi für Büromanagement) und stellen jedes Jahr ein oder zwei neue Auszubildende ein. Die Karrierechancen sind nach wie vor gut in unserem Beruf: Nach Beendigung der Ausbildung, die man bei guten Leistungen auch verkürzen kann, kann theoretisch sofort die Meisterschule besucht werden; mit dem Meistertitel kann man sich selbstständig machen oder als Meister angestellt werden. Auch eine Technikerschule kann besucht oder mit einem Studium ein Ingenieurtitel erworben werden. Und: Ohne den Elektriker läuft nun mal gar nix!“

Kommende Generation für Zukunftschancen sensibilisieren

„Jugendliche und ihre Eltern erkennen zunehmend die hervorragenden Zukunftschancen und die Möglichkeiten, tatkräftig an der Energiewende vor Ort mitzuwirken“, kommentiert Detlef Schönberger (Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe). „Als Zusammenschluss des regionalen Handwerks unterstützen wir mit coolen Messeauftritten, der Pressekampagne „Traumberufe im Handwerk“, der Passt!-App, mit Wheel-Datings sowie vielen anderen Aktivitäten in kongenialer Kooperation mit unseren regionalen Netzwerkpartnern und stellen dabei Handwerksberufe in ihrer gesamten Vielfalt und Attraktivität heraus. Daran gilt es weiterhin gemeinsam mit ganzer Überzeugung und Leidenschaft zu arbeiten!“

Denn das erfreuliche Plus bei den Ausbildungsverträgen deckt den Bedarf an Fachkräften im Handwerk bei Weitem noch nicht ab: Allein die Ausbildungsplatz-Börse der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe (https://service.kh-hl.de/ausbildungsboerse/angebotefinden/) listet derzeit 341 freie Plätze auf. Schönberger: „Viele Handwerksunternehmen können keine Aufträge mehr annehmen oder müssen Filialen schließen, weil ihnen Mitarbeiter/innen fehlen. Berufe wie Fleischer, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Maler, Metallbauer, Raumausstatter oder Stuckateur sind bei jungen Menschen vielfach nicht im Fokus, bieten aber spannende Aufgabenbereiche. Da lohnt es sich, bei einem Praktikum eigene Erfahrungen zu machen!“

Die Ausbildungs-Coaches der Kreishandwerkerschaft (Kevin Güner, Jens Mayer und Larissa Rose) informieren gerne und stellen direkt Kontakte zu Innungsbetrieben in der Region her: Telefon 02921 892-214 und -232, E-Mail: ausbildungsberatung@kh-hl.de.

Und:
In der Dating-App „Passt!“ (www.passt-app.de) finden Jugendliche rund um die Uhr Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu Handwerksbetrieben der heimischen Region, die Praktikums-, bzw. Ausbildungsplätze anbieten.