Mit Motivation und Kreativität in die Ausbildung

Seit Herbst gibt es in den Handwerksbetrieben des Kreises Soest wieder viele neue Gesichter. So verstärkte sich auch das 7-köpfige Team von Friseurmeisterin Heike Becker, die in der Villa Jacobi in Soest seit 20 Jahren ihren eigenen Salon führt und Mitglied in der Friseur-Innung Soest-Lippstadt ist, in diesem Jahr mit einer neuen Auszubildenden: Fiona Müller (19 Jahre, 1. Lehrjahr) kommt aus Warstein und hat im zweiten beruflichen Anlauf nun den Weg ins Friseurhandwerk gefunden. Wir haben mit Fiona und ihrer Ausbilderin gesprochen.

 

Kreishandwerkerschaft: Fiona, was war deine persönliche Motivation, den Friseurberuf zu erlernen?

Fiona Müller: Ich habe mich schon immer dafür interessiert, Haare zu schneiden und Frisuren zu stylen. Bei meiner Familie habe ich das auch schon früh selbst ausprobiert. Heute kann ich sagen: Friseurin ist mein Traumberuf! Trotzdem war ich mir nach der Schule zuerst unsicher, ob ich eine Ausbildung zur Friseurin machen soll, aber jetzt im zweiten Versuch mache ich mein Ding!

Kreishandwerkerschaft: Wie sieht dein persönliches Umfeld deinen Berufswunsch?

Fiona Müller: Meine Familie und Freunde haben mir sehr geholfen, da alle wussten, dass ich wirklich Friseurin werden will. Sie waren begeistert, als ich sagte, dass ich eine Ausbildung machen will. Besonders mein Vater hat mich unterstützt, er ist selbst Handwerker im Bereich Elektrotechnik. Ich wollte auch unbedingt etwas mit den eigenen Händen machen. Mir gefällt daran, dass ich mich selbst ausprobieren und verwirklichen kann. Deshalb habe ich mir auch ein kreatives Handwerk ausgesucht.

Kreishandwerkerschaft: Wie kamst du zu deiner Ausbildungsstelle?

Fiona Müller: Ich habe mit meinem Vater zusammen nach offenen Ausbildungsplätzen in Soest gesucht, da ich hier wohne. Dabei hat uns Jens Mayer unterstützt, der als Ausbildungscoach bei der Kreishandwerkerschaft arbeitet. Da ich mich erst im Oktober umentschieden hatte, Friseurin zu werden, war der eigentliche Ausbildungsbeginn schon vorbei. Jens Mayer hat aber trotzdem noch den Kontakt zu Heike Becker hergestellt. Im Team und im Salon habe ich mich direkt wohlgefühlt und ich bin froh, dass es auch mit etwas späterem Beginn noch mit der Ausbildung geklappt hat.

Kreishandwerkerschaft: Was hast du vorher beruflich ausprobiert und wie waren deine Erfahrungen?

Fiona Müller: Mir war es immer wichtig, etwas Kreatives zu machen. Zum Beispiel dekoriere ich auch sehr gerne. Nach meinem Fachabitur am Börde-Berufskolleg hatte ich deshalb zuerst eine Ausbildung zur Raumausstatterin begonnen. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass das doch nicht das Richtige für mich ist und habe die Ausbildung abgebrochen. Jetzt fühle ich mich in meiner Friseurausbildung sehr wohl und bin glücklich darüber, mich diesen Schritt getraut zu haben.

Kreishandwerkerschaft: Was macht dir bisher in deinem neuen Beruf am meisten Spaß?

Fiona Müller: Definitiv der Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen und die Arbeit im Team. Ich habe auch schon positives Feedback von langjährigen Kundinnen und Kunden bekommen, zum Beispiel beim Waschen der Haare. Das hat mir gut getan und motiviert mich sehr. Ich habe mich hier im Team auch von Anfang an gut aufgehoben gefühlt und es macht mir Spaß, jeden Tag Neues zu lernen.

Kreishandwerkerschaft: Was erhoffst du dir von deiner Ausbildung?

Fiona Müller: Dass ich sie erfolgreich abschließe und mich dann noch weiterbilden kann. Vor allem verschiedene Färbetechniken und die Arbeit mit Extensions interessieren mich sehr.

Kreishandwerkerschaft: Würdest du Freunden oder Bekannten deinen Ausbildungsberuf weiterempfehlen?

Fiona Müller: Auf jeden Fall! Man kann sich einbringen und kreativ sein. Du siehst, was du mit den eigenen Händen geschaffen hat. Wenn sich jemand für den Beruf interessiert, würde ich ihr oder ihm auf jeden Fall empfehlen, vorher ein Praktikum zu machen. Dadurch kann man gut einschätzen, ob der Beruf zu einem passt.

Kreishandwerkerschaft: Frau Becker, warum ist es Ihnen als Betriebsinhaberin wichtig auszubilden?

Heike Becker: Einer der Gründe ist, dass ich dadurch meinen Beitrag zur Sicherung des Berufsnachwuchses im Handwerk leisten kann. Ich bin sozial engagiert und habe vielen jungen Menschen eine Möglichkeit zur Ausbildung gegeben, die anderswo durch das Raster gefallen sind. So habe ich zum Beispiel Jugendliche aus sozial schwachen Verhältnissen und Flüchtlinge eine Chance gegeben, es zumindest versucht – nicht immer hat es gut geklappt. Ich habe auch Auszubildende aufgenommen, die ihre Ausbildung in einem anderen Salon abgebrochen haben und festgestellt, dass es oftmals gar nicht an den Jugendlichen, sondern am Betrieb gelegen hat.

Kreishandwerkerschaft: Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Ausbildung bzw. den Auszubildenden gemacht?

Heike Becker: Ich bilde seit 1992 aus und musste feststellen, dass es während der letzten zehn Jahre oftmals viel schwächere Bewerber gab als noch in den Jahren zuvor. Es war eine ziemliche „Durststrecke“, qualitativ gut auszubilden. Daher hatte ich vor zwei Jahren schweren Herzens beschlossen, keinen Ausbildungsplatz mehr anzubieten. Seit letztem Jahr stelle ich aber fest, dass die Bewerber wieder mehr Motivation und Anspruch mitbringen. Das hat mich dazu bewegt, Fiona ins Team zu holen. Sie ist so motiviert und lernbereit, dass ich froh bin, diese Entscheidung getroffen zu haben. Ich habe auch das Gefühl, dass in den Köpfen der Menschen langsam ankommt, dass ohne das Handwerk nichts läuft und das allgemeine gesellschaftliche Ansehen unseres Berufsstandes wieder etwas steigt. Vor allem die Eltern spielen hier als Berater der Jugendlichen eine wichtige Rolle. Ihnen muss das Handwerk als zukunftsfähiger und attraktiver Berufsweg wieder präsenter werden. Auch ohne Studium kann jeder erfolgreich sein.

Kreishandwerkerschaft: Wünschen Sie sich bezüglich der Rahmenbedingungen für die Ausbildung Verbesserungen?

Heike Becker: Aus meiner Erfahrung als Mitglied des Gesellenprüfungsausschusses kann ich sagen, dass bei Änderungen der Ausbildungsordnung leider nicht alle Betriebe mitziehen. Hier müssten sich die betrieblichen Ausbilder besser an den Rahmenplan halten. Die Ausbildung in Deutschland ist zwar generell gut im Vergleich zu anderen Ländern, allerdings finde ich persönlich, dass wir wieder mehr Wert auf den klassischen Service und den Umgang mit der Kundschaft legen sollten. Sprich: gutes Benehmen, gepflegtes Äußeres und eine passende Arbeitsmoral. Auch das präzise Arbeiten und die Basics – Färben, Pflegen, Schneiden, Formen, Stecken – kommen oftmals zu kurz. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Ausbildungspläne schneller an den aktuellen Stand der Praxis angepasst werden, da sie oftmals ein paar Jahre hinterher hängen.

Kreishandwerkerschaft: Was würden Sie bezüglich der handwerklichen Ausbildung in Deutschland ändern?

Heike Becker: Ich würde mir wünschen, dass sich das Ausbildungsniveau wieder etwas erhöht. Außerdem braucht es definitiv mehr handwerkliche Berufsorientierung an den Schulen, vor allem an Gymnasien. Ich fände es gut, wenn junge Menschen nach ihrem Schulabschluss zuerst eine duale Ausbildung machen würden, bevor sie entscheiden, ob sie noch studieren möchten. Denn die Arbeit mit den Händen – und generell zu arbeiten – sollte nicht negativ gesehen werden. Hier müssen wir die Gesellschaft zum Umdenken bringen, damit wieder mehr junge Menschen ins Handwerk kommen.

Kreishandwerkerschaft: Die Anzahl der neuen Ausbildungsverträge bei den Friseuren in der Hellweg-Lippe-Region ist leider leicht rückläufig. Wie hat sich die Gewinnung neuer Auszubildender im Laufe der letzten Jahre verändert?

Heike Becker: Wir Friseure haben glücklicherweise einen „jungen Beruf“, der sich mit neuen Trends und aktueller Mode beschäftigt und daher für viele junge Menschen attraktiv war, ist und bleibt. Allerdings bringen Jugendliche manchmal falsche Erwartungshaltungen in die Ausbildung mit. Hier kann ich jedem nur empfehlen, vorab durch ein Praktikum in den Beruf hineinzuschnuppern. Grundsätzlich merke ich aber in letzter Zeit, dass die Ausbildungsinteressierten wieder mehr Eigeninitiative zeigen und passende Werte in die Ausbildung mitbringen. Fiona ist ein gutes Beispiel dafür. Ich bin daher für die nächsten Jahre positiv gestimmt. Die neue Generation bringt uns außerdem neue, junge und frische Ideen mit – genau so soll sich unser Handwerk kreativ weiterentwickeln.